Mobbing – Was kann ich als Vorgesetzter unternehmen?

Gemäss dem schwedischen Psychologen Heinz Leymann beschreibt der Begriff Mobbing wiederholte feindselige Handlungen von einer oder mehreren Personen gegen eine andere Person, die über einen längeren Zeitraum zur Zielscheibe gemacht wird. 

Konflikte dieser Art spielen sich häufig im Verborgenen ab. Mitarbeitende gehen nicht auf den Vorgesetzen zu, aus Angst, als „nicht konfliktfähig“ oder „nicht belastbar“ angesehen zu werden. Deshalb ist es für eine Führungskraft umso wichtiger, ein eigenes Frühwarnsystem zu entwickeln und hellhörig zu werden,

 

  • wenn die gleichen Mitarbeitenden immer wieder „aneinander geraten“. Es könnte sich um ein grundlegendes Problem handeln;
  • einzelne Mitarbeitende isoliert werden und keine Unterstützung mehr von Kollegen erhalten;
  • Mitarbeiter, die, entgegen dem bisherigen Verhalten, ihren Kollegen aus dem Weg gehen oder Arbeitsaufgaben meiden;
  • Fehlzeiten und die Krankheitstage ansteigen;
  • die Arbeitsleistung eines Teams oder eines Bereichs scheinbar grundlos abfällt;
  • „Kollegenwitze“ über eine Person zunehmen;
  • einem Mitarbeitenden wiederholt Informationen fehlen, weil er oder sie z.B. vom E-Mail-Verteiler gelöscht wurde usw.;
  • sich in Meetings die gleichen Fronten gegen eine Person bilden, z.B. niemand neben diesem Mitarbeiter sitzen möchte usw. 

Spätestens wenn sich ein Mitarbeiter bei Ihnen über Angriffe auf die eigene Person oder ihre Arbeit beschwert, sollten Sie aktiv werden. Sind die Arbeitsabläufe in Gefahr oder bereits gestört, müssen Sie eingreifen und können sich nicht mehr aus dem Konflikt heraushalten. Je früher sie agieren, desto eher besteht eine reale Chance, den Konflikt beizulegen. Abwarten und aussitzen verschlechtert die Situation und wirft gleichzeitig ein schlechtes Licht auf Sie als Chef!

In einem ersten Schritt sollten Sie sich ein genaueres Bild der Situation machen. Für eine Konfliktanalyse eignen sich Gespräche mit den beteiligten Personen. Zuerst einzeln und später – falls es hilfreich erscheint – gemeinsam. Wichtig ist, bei diesen Gesprächen sachlich und neutral zu bleiben und gut zuzuhören, um die zentralen Punkte des Konfliktes zu ermitteln. Orientieren können Sie sich hierbei an folgender Checkliste:

  • Worum geht es bei diesem Konfliktfall?
  • Welche Emotionen zeigen die Betroffenen?
  • Wer ist beteiligt? Direkt und indirekt?
  • Welche Beziehungen und Abhängigkeiten haben die Beteiligten untereinander? 
  • Welchen Verlauf hat der Konflikt bis jetzt genommen?
  • Welche Mobbing-Handlungen sind aufgetreten?
  • Wie ist die Grundeinstellung der Parteien zum Konflikt?
  • Wird die Auseinandersetzung für lösbar gehalten? Wie könnte die Lösung aussehen?
  • Was wurde bisher unternommen?
  • Droht sich der Konflikt auszuweiten oder lässt er sich begrenzen?

Unternehmen Sie aufgrund dieser Informationen einen Schlichtungsversuch,  bieten sie jedoch keine Patentrezepte an. Die Lösung sollte von den Konfliktparteien gemeinsam erarbeitet werden. Wichtig ist hierbei, dass ein gemeinsames Verständnis über den Konflikt entwickelt wird. Hierzu gehört auch, die Sichtweise der anderen Partei zu verstehen (Perspektivenübernahme). 

Wenn Sie das erste Mal konfrontiert sind oder sich unsicher fühlen, können Sie sich intern Unterstützung bei den Personalverantwortlichen oder extern bei einem für solche Situationen ausgebildeten Coach oder Mediator holen.

Sollte dieser Schlichtungsversuch scheitern oder Beweislage offensichtlich sein, ist es notwendig, sofort eine klare Position zu beziehen und das zerstörerische und schädliche Verhalten aufzuzeigen. Bevor Sie dies jedoch tun, ist es hilfreich, das Vorgehen wieder mit einer dritten unabhängigen Person zu besprechen. So können Sie Ihr eigenes Verhalten und Ihre innere Beteiligung, bevor Sie handeln, nochmals reflektieren. Hier bietet sich wieder Ihre Ansprechperson in der Personalabteilung an. Gleichzeitig können Sie mit den Personalverantwortlichen die nächsten Schritte absprechen. Häufig bietet das HR bei deren Umsetzung Unterstützung an. Falls dies nicht gewährleistet ist, rate ich Ihnen, wieder einen Coach bzw. Mediator hinzuzuziehen, der Ihnen mit Rat und Tat zur Seite steht. 

Falls Sie zum Schluss kommen, dass es nicht reichen wird, das zerstörerische Verhalten aufzuzeigen und Verhaltensänderungen zu fordern, sondern Sie sogar Sanktionen androhen oder verhängen müssen, sprechen Sie sich am besten zusätzlich mit der nächst höheren Führungsstufe und einem Juristen bzw. der Rechtsabteilung ab. So erhalten Sie genauere Antworten, was für formale Voraussetzungen einzuhalten sind.

Kurz zusammengefasst stehen Ihnen folgende Massnahmen zur Verfügung:

  • Stellung beziehen: Klar sagen, was man von den beteiligten Personen erwartet und dies schriftlich festhalten und von den Beteiligten unterschreiben lassen;
  • Präsenz zeigen: z.B. Arbeitsbesprechungen im betroffenen Bereich für eine gewisse Zeit nur noch im Beisein eines Vorgesetzten;
  • Kommunikationsfluss unabhängig von den Betroffenen gestalten, um Informationsausschluss einzelner vorzubeugen;
  • Räumliche Trennung der beteiligten Mitarbeiter z.B. in verschiedene Büros;
  • Arbeitsaufgaben neu zuteilen, so dass Überschneidungen oder Abhängigkeiten der betroffenen Mitarbeiter vermieden werden;
  • Bewährungseinsatz eines oder beider Kontrahenten; 
  • Abmahnung eines oder beider Kontrahenten (wenn die Rechtsgrundlage vorhanden ist);
  • Versetzung eines Kontrahenten, falls möglich;
  • Kündigung des Aggressors (wenn die Rechtsgrundlage vorhanden ist).

Informieren Sie im Nachgang das Team über das gewählte Vorgehen. So beugen Sie Gerüchten vor und bestimmen die Inhalte des „Radioflurfunk“ mit. Thematisieren Sie Mobbing. Weisen Sie darauf hin, dass partnerschaftliche Zusammenarbeit im Unternehmen erwartet und gelebt werden soll. Wenn die Beschäftigten erleben, dass Intrigen nicht verschwiegen, sondern thematisiert werden und als unerwünscht gelten, wird Mobbing schwieriger. 

Wenn sich Turbulenzen durch Ihr frühzeitiges Eingreifen gänzlich beruhigt haben, können Sie stolz auf sich sein – das war eine grosse Herausforderung! 

Bleiben Sie jedoch wachsam. Das Team oder der Bereich, in dem Mobbing aufgetreten ist, sollten Sie weiterhin genau beobachten. Sprechen Sie in regelmässigen Abständen mit dem Opfer und fragen Sie direkt nach, wie sich die Situation entwickelt. Auch andere Teammitglieder können Ihnen helfen, sich ein Bild zu machen, wenn Sie sich im Tagesgeschäft zu weit weg befinden. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, nach spätestens drei Monaten ein Folgetreffen mit den betroffenen Mitarbeitenden zu vereinbaren, um zu signalisieren, dass die Lösung des Problems bei Ihnen Priorität hat und Sie am Ball bleiben.